05 _ Wenn es kein richtig und falsch gibt

15.05.2020

Von Mario Scarton*, Pianist und Keyboarder

Seit ich mich erinnern kann, stand bei uns zu Hause ein Klavier. Meine Tante komponierte Kirchenmusik, meine Grossmutter Deutsche Schlagermusik, mein Onkel jazzte vor sich hin und meine Mutter spielte einfach so Klavier zum Zeitvertreib. Ich begann mit Gitarre, dann wechselte ich zum Klavier. Eine Banklehre absolvierte ich, weil es das Naheliegendste war, da mein Vater für eine Bank arbeitete. Für mich war es eine fremde Welt, die absolut nichts mit mir zu tun hatte. Nach meiner Ausbildung quittierte ich den Dienst bei der Bank und absolvierte die Jazzschule Bern, ein Entscheid der viel Mut brauchte, aber wegweisend für mein Leben war.

Die Verschmelzung von Klavier und Synthesizern übte seit dem Beginn meiner musikalischen Laufbahn eine grosse Faszination auf mich aus. Ich beschäftigte mich mit dem Kreieren eigener Klänge, auf der Suche nach neuen, musikalischen Landschaften. Mit der Zeit entwickelte ich eine sehr konkrete Vorstellung von meinem eigenen Sound: sphärisch und repetitiv, melodisch und kratzig, melancholisch und sperrig, überraschend. In meinem aktuellen Soloprojekt Mario Scarton aka Chico Cream verarbeite ich diese Klangwelten. Beim Musizieren setze ich mich ständig mit mir selbst auseinander und lerne mich deshalb immer wieder von einer anderen Seite kennen. Denn meine Musik bin immer ich.

Das Schöne am kreativen Prozess ist, dass es kein Richtig und Falsch gibt. Für Dinge, die ich in der Musik beschliesse, muss ich niemandem Rechenschaft ablegen – ausser mir selbst. Komponieren ist eine konstante Entscheidungsfindung, was zuweilen auch sehr anstrengend sein kann. Trotzdem: Die Freiheit, eigene Entscheidungen fällen zu können und mir so meine Welten zu erschaffen, ist mir derart wichtig, dass ich mir für mich nichts Erfüllenderes vorstellen könnte. 

Als Klavierlehrer habe ich die Aufgabe, Musik zu vermitteln. Ich unterrichte gerne und mein Wissen weiterzugeben ist für mich auch immer eine Chance, es neu zu betrachten. Mein Unterricht soll vor allem Kreativität wecken und meinen Schülern aufzeigen, was mit Musik alles möglich ist. Erfüllend wäre es für mich, wenn sie später sagen, dass ihr Musiklehrer ihnen die Freude an der Musik vermittelte.

Sich reich zu fühlen ist für mich eine Grundeinstellung dem Leben gegenüber. Die Musik half mir dabei, diese Einstellung zu entwickeln.

 

*Kurzbiographie

Mario Scarton lebt und arbeitet in der Stadt Zürich und genoss längere Aufenthalte in New York und Berlin. Seine Disographie (nicht vollständig): Adrian Weyermann, PalkoMuski, Reza Dinally, Lobith, Tinu Heiniger, Emel, Grab/Scarton, Roman Glaser, Tobey Lucas. Aktuell: Mario Scarton aka Chico Cream

https://www.chicocream.com