06 _ Fällt das Fotoalbum vom Regal, ...

15.05.2020

Von Christian Grubenmann*, Lehrer (links im Bild mit seinem Bruder Marcel)

Das Knacken liess nichts Gutes erahnen. Das letzte Fotoalbum war wohl eines zu viel. Unter der Last unserer über die Jahre gesammelten photographischen Erinnerungen brach das Regalbrett zusammen und löste eine Kettenreaktion aus. Da lagen sie nun. Die vorher chronologisch sauber eingereihten Alben stapelten sich in einem unübersichtlichen Haufen zu meinen Füssen.

 

Beim Ordnen des Tohuwabohus liess es sich nicht vermeiden, dass ich ab und zu einen Augenschein in den Fotoalben nahm und in Erinnerungen schwelgte. All die vertrauten Gesichter, die mich auf meinem Lebensweg bis heute begleitet haben, lachten mir auf Hochglanzpapier entgegen. Es sind Menschen, die seit meiner Geburt an meiner Seite sind, die mein Leben bereichern. Der Austausch mit ihnen, das Geben und Nehmen gibt meinem Leben einen Sinn. Ob Eltern, Ehefrau, meine Töchter, mein Bruder oder Freunde – sie sind die wahre und entscheidende Währung. Kratzt man an der Oberfläche seiner Glückseligkeit, so kommt neben den so heiss geliebten Hobbys oder den Reisen in fremde Länder der wahre Reichtum des Lebens zum Vorschein. Man muss die Banane schälen, um an das Fruchtfleich zu gelangen. Genauso ist es mir beim Schreiben dieses Gastbeitrages ergangen.

 

Als Lehrer begleite ich Kinder und Jugendliche auf ihrem schulischen Lebensweg. „Lernen heisst nicht Fässer zu füllen, sondern Fackeln zu entzünden“. Dieses Motto begleitet mich täglich in meiner Arbeit. Die Dankbarkeit der Kinder und ihrer Eltern, wenn eine schulische Klippe umschifft oder eine scheinbar übermächtige Hürde gemeistert wurde, geben mir eine innere Befriedigung. Und begegne ich Jahre später ehemaligen Schülerinnen und Schülern und sie erzählen mir, dass ich ihr Leben positiv beeinflusst habe, so ist das durch nichts zu übertreffen. Alleine der Umstand, dass ich mir Gedanken zur Frage «Was macht mein Leben reich?» machen darf, zeugt davon, dass es das Leben gut mit mir gemeint hat. Wenig müssen, aber viel dürfen – diese Freiheit schätze ich ungemein.

 

Die Einladung zu diesem Gastbeitrag liess mich innehalten und auf mein bisheriges Leben zurückblicken. Im Lebenszyklus verschieben sich die Werte. Die Metamorphose des Alters bringt es mit sich, dass im Alter der Gesundheit eine ganz entscheidende Rolle zukommt. Wenn es meinen Liebsten und mir gut geht, so ist dies das wichtigste Gut auf dieser Erde.

 

Und dann ist da noch die Endlichkeit des Seins. Ist man sich dessen bewusst, so kann man selbst Dingen, die einem auf dem Magen liegen etwas Positives abgewinnen.

 

*Kurzbiographie

Christian Grubenmann arbeitet als Lehrer und wohnt mit seiner Familie im Zürcher Oberland