07 _ ...kauft man sich einen Bauernhof

15.05.2020

Von Marcel Grubenmann*, Fotograf (rechts im Bild mit seinem Bruder Christian)

„Das Leben ist entweder ein grosses Abenteuer – oder es ist gar nichts.“ Dieser Satz der Schriftstellerin Hellen Keller könnte auf meinem Lebenskompass stehen. Kompass und nicht Wegweiser, weil er nur die Richtung aber nicht das genaue Ziel angibt. So machte ich mich nach vier Jahren als Primarlehrer auf eine eineinhalbjährige Auslandsreise ohne Fahrplan und Ziel, nur getrieben durch meine Leidenschaft, der Reportagefotografie (das Warum hat mich damals schon nicht interessiert). Vielmehr war es dieses Gefühl für etwas, das ohne zu wissen, einfach stimmte. Heute, mit 59 Jahren und nach vielen solchen intuitiven Schritten, zeichnet sich ein Schema, eine Formel ab: Mich bereichern stimmungsvolle Begegnungen mit anderen Menschen an spannenden Orten. Die Fotografie ist dazu der perfekte Türöffner. Wobei das Bild selbst nach kurzer Zeit verblasst, nicht aber das Erlebnis! Unerreicht der Moment, als ich während einer mehrjährigen Reportage im Vatikan an einer Behelfsleiter über die Aussenmauer zur Sala Regia kletterte, mich auf abenteuerlichste Weise während des Lotharsturms nach Basel durchschlug, um in den Katakomben des Theaters die letzten Bilder für den UBS Geschäftsbericht 1999 zu fotografieren oder wenn Roger Federer mir auf einer unserer Afrikareisen für seine Stiftung den Schlüssel für sein Hotelzimmer in die Hand drückt, damit ich dort seine Dusche benützen darf. Ich liebe es backstage an sonst unzugänglichen Orten zu sein. Diese Momente bereichern mein Leben! Manchmal erschrecken meine Entscheidungen aber sogar mich (nachdem ich in Indien eine Landwirtschaft nach vedischem Prinzip kennengelernt habe, besitze ich nun im Appenzellerland einen Bauernhof, der so betrieben wird.) Ja, ich lasse ungern etwas anbrennen oder die Idee auf einer Bucketliste vergilben. 

 

All diese grossartigen Erlebnisse haben den einen Nachteil: Sie sind zeitlich begrenzt. Nicht so das Sein mit meinen beiden, mittlerweile erwachsenen, Töchtern. Sie bereichern mein Leben auf vielfältigste Art und Weise und ich bereue es keinen Moment, meinen Beruf damals wieder regionaler und mit viel Zeit für die Familie ausgerichtet zu haben.

 

Obwohl Geld wunderbare Möglichkeiten bietet und meinen Erlebnisfächer vielfältig erweitert, war es in vielen Momenten absolut unbedeutend (ich fühle mich in einfachen Unterkünften genauso wohl, wie in den Suiten der schönsten Hotels). Für mich ist Geld dann spannend, wenn es bewegt wird (Batterien sind auch erst lustig, wenn sie ins Duracellhäschen gesteckt werden).

 

*Kurzbiographie

Marcel Grubenmann ist Fotograf (http://grubenmann.biz) und lebt im Zürcher Oberland