14 _ Kunst...und manchmal etwas mehr Glück als Verstand

05.06.2020

Von Manuel Gerber* (links im Bild), Kunsthändler, Gerber Stauffer Fine Arts

Der Kunsthandel ist generell ein langsames Geschäft. Unser Fachgebiet, jene Ausprägung, die sich mit historisch wichtiger moderner Kunst befasst, ganz besonders.

So langsam, dass eine gute Freundin einmal halb spöttisch, halb neidisch bemerkte, wir verdienten unser Geld mit Lesen in schönen Bibliotheken und Reisen zu den schönsten Sammlungen der Welt. Reichtum, oder zumindest geschäftlicher Erfolg, als demonstrativer Müssiggang durch möglichst große Distanz zu produktiver Erwerbsarbeit? Well, I wish!

Wir haben zwar einen wunderbaren Beruf, keine Frage. Täglich physisch und intellektuell mit Kunstwerken zu tun zu haben, welche die meisten Menschen nie ausserhalb von Museen zu sehen bekommen – das allein ist bereits sehr bereichernd. Aber natürlich ist auch bei uns nicht alles Gold, was glänzt, und die schönen Bibliotheken sind in Wahrheit oft nur triste, noch immer rein analoge Archive für aufwendige Provenienzrecherchen (einer der vielen Gründe unserer Langsamkeit).

Hohe Ankaufskosten für Kunstwerke, eine aufwandsbedingt tiefe Deal-Frequenz und prozentual kleine Margen verursachen zudem unangenehme Klumpenrisiken, die sich kaum entschärfen lassen: Während selbst globale Makroschocks wie der Credit Crunch dank eines loyalen und finanziell gesunden Kundenstamms fast spurlos an uns vorbeigegangen sind, könnte uns der Wegfall von nur zwei, drei grossen aufeinanderfolgenden Geschäften theoretisch in wüste Liquiditätsengpässe bringen.

Kein besonders wahrscheinliches Szenario, möchte man meinen. Jedenfalls eins von der Art, die man in den fetten Jahren gerne ignoriert. Aber das kümmert den Zufall nicht: Wie fast die ganze Welt erwischte uns die Corona-Krise im März auf dem falschen Fuss. Ein über Monate angebahnter Ankauf, an welchen wichtige Folgegeschäfte geknüpft waren, fiel kurz vor Abschluss innerhalb weniger Stunden in sich zusammen.

Eine auch nur leicht verschobene Konstellation – ein initialer Verkauf anstelle eines Ankaufs – und die weltweit rasch einsetzenden Lockdowns hätten uns, wie erschreckend viele unserer Kollegen, vielleicht den Kopf gekostet. So aber schlitterten wir zwar unvorbereitet, aber mit viel Liquidität in die Krise, konnten flexibel auf die neue Situation reagieren und unser Geschäft sogar mit sehr guten Resultaten weiterführen.

Vor wenigen Monaten hätte unsere persönliche Reichtumsdefinition noch anders ausgesehen. Heute, immer noch mit leicht wackeligen Knien, ist sie eher bescheiden: Reichtum heisst gute Kunst an den Wänden, ein verlässliches Umfeld… und manchmal etwas mehr Glück als Verstand.

 

*Über den Autor

Manuel Gerber ist Partner bei Gerber Stauffer Fine Arts, einer internationalen Kunsthandlung mit Spezialisierung auf die Kunst des 20. Jahrhunderts. Ihr Hauptbüro mit grossen Besichtigungsräumen befindet sich in zentraler Lage in Zürich, Schweiz.