15 _ Vrenelisgärtli

11.06.2020

Von Corine Blesi*, Geschäftsführerin NZZ Konferenzen

Was macht mein Leben reich? Ich könnte jetzt über Freiheit und Solidarität sowie über monetären und nicht-monetären Reichtum schreiben. Alles was einem in den Sinn kommt und schlussendlich Reichtum in Form von Geld, persönlichen Erlebnissen oder unbändiger Lebenslust definiert. Stattdessen möchte ich eine kurze Geschichte erzählen.

Es war einmal eine übermütige Jungfrau, welche Vreni genannt wurde. Diese meinte, sie könne zuoberst auf dem mittleren Glärnisch einen Garten machen. Die Leute warnten sie und sagten zu ihr: «Man darf Gott nicht herausfordern!» Sie aber sagte: «Und jetzt gehe ich aus Trotz hinauf, sei es dem Herrgott lieb oder leid.» Da nahm die Jungfrau, sie war ein baumstarkes Mädchen, einen grossen Kupferkessel über den Kopf, damit sie nicht nass werde, wenn es zu schneien beginnen sollte. Als sie aber oben war, begann es so stark zu schneien, dass das Vreni wegen des Gewichts den Kessel nicht mehr abziehen konnte. Der nasse, schwere Schnee drückte das Mädchen zu Boden, und es wurde gänzlich eingeschneit. Dort liegt das Vreni, bis heute.

Das Gärtli vom Vreneli ist von weither zu sehen und mancher Heimweh-Glarner freut sich, das hell leuchtende Schneefeld rund ums Jahr immer im Blickfeld zu haben – das «Vrenelisgärtli», ein Stück Heimat, ein intakter Ort in einer unübersichtlichen Welt.

Heute hat mir die SAC Sektion Tödi ein kleines Booklet geschickt und um eine Spende gebeten, da die Glärnischhütte, welche zum «Vrenelisgärtli» hinaufführt, umgebaut und auf den neusten Stand gebracht werden muss.

Ich fühle mich privilegiert und auf eine besondere Art und Weise reich, weil ich in der Lage bin, der Hütte einen Stuhl in der Gaststube zu finanzieren, auf dem mein Name verewigt sein wird. Ich unterstütze damit nicht nur meine Herkunft, sondern auch die Pionierarbeit im Alpenraum und denke dabei immer auch ein wenig ans Vreni und ihre Starrköpfigkeit, die manche Alpenregion bis heute prägt, jedoch ohne die manche Meisterleistung nie möglich gewesen wäre.

Es ist diese Kombination aus Verwurzelung, Solidarität und Gemeinschaft, die ich grossartig finde und die mich glücklich und wohlhabend macht. Unsere Heimat ist daraus entstanden. Sie ist unser grösster Reichtum.

 

*Über die Autorin

Corine Blesi ist Geschäftsführerin der NZZ Konferenzen und Geschäftsleitungs-Vorsitzende des Swiss Economic Forum.