Dominante Aktienmärkte

11.10.2021

Die Konzentration in den globalen Aktienmarktindizes ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Es ist Zeit, sich in der Anlagestrategie gegen die Dominanz amerikanischer Aktien zu stemmen. Ein Gastartikel von Christa Janjic-Marti (WPuls).

Die Abbildung zeigt, wie oft einzelne Aktienmärkte an der Tabellenspitze (grün) und am Tabellenende (rot) aufzufinden waren. Wir verwenden dazu die rollierende 5-Jahres-Rendite gemessen in Franken und schauen uns die Rangliste in jedem Monat an. Wechselkursverluste und -gewinne sind damit ebenfalls berücksichtigt. Hongkong und die USA waren am häufigsten an der Spitze. Die USA war aber auch häufig am Tabellenende zu finden. Am häufigsten schnitt der japanische Markt am schlechtesten ab, am wenigsten häufig der Schweizer Markt.

Anleger im Schweizer Aktienmarkt kennen die Problematik der Indexkonzentration bestens: Die drei Titel Nestlé, Roche und Novartis machen zwischen 45 und 53 Prozent der bekanntesten Schweizer Aktienmarktindizes aus. Genau dasselbe passiert aktuell auf Länderebene. Mit einer Gewichtung von 68 Prozent dominieren amerikanische Aktien den MSCI World Index, der die Kursentwicklung aus 23 Industrieländern abbildet. Im  Schwellenländerindex MSCI EM dominieren chinesische Aktien mit 34 Prozent. Anlegerinnen und Anleger, die sich indexnahe oder passive Fonds ins Portfolio legen, exponieren sich also sehr stark gegenüber diesen beiden Aktienmärkten und deren Währungen.

Höchste Konzentration von US-Aktien seit 50 Jahren

Die Dominanz von chinesischen Aktien erscheint uns dabei weniger problematisch. Insgesamt ist der Anteil an Schwellenländeraktien – und damit auch von chinesischen Aktien – in den globalen Indizes immer noch relativ klein. So machen chinesische Aktien nur gerade 4 Prozent des MSCI All Country World (ACW) Index aus, welcher den MSCI World und den MSCI EM vereint. Gemessen an der wirtschaftlichen Grösse Chinas ist dies eigentlich noch viel zu tief. Problematischer erachten wir hingegen die hohe Gewichtung der USA. Während die amerikanische Wirtschaft gut 20 Prozent des weltweiten BIP ausmacht, liegt die Gewichtung amerikanischer Aktien im MSCI ACW Index mittlerweile bei 60 Prozent und damit 20 Prozentpunkte höher als noch vor 10 Jahren.

Nur zwei Mal in den letzten 100 Jahren dominierte ein Land die globalen Aktienmärkte so wie es die USA heute tun. In den späten 1960er Jahren erreichten amerikanische Aktien eine Gewichtung von knapp 75 Prozent im MSCI World Index und japanische Aktien kletterten zu Beginn der 1990er Jahre auf 44 Prozent. In beiden Fällen folgten zwei miserable Dekaden mit unterdurchschnittlicher Performance. Der Anteil amerikanischer Aktien halbierte sich dabei, derjenige Japans reduzierte sich im Laufe der Korrektur um über 80 Prozent.

Beide Beispiele illustrieren die Gefahr, auf die Gewinner der letzten Dekade zu setzen. Wenn ein dominanter Aktienmarkt eine Trendwende vollzieht und/oder dessen Währung einbricht, kann dies für Anleger frustrierend werden. In Franken gemessen lag der MSCI World Index zwischen 1973 und 1982 in der Verlustzone. Nach dem Platzen der japanischen Aktienmarktblase dauerte es vier Jahre bis die Verluste im Weltaktienmarktindex,  gemessen in Franken, wieder aufgeholt waren. Und dies, obwohl praktisch alle Aktienmärkte ausserhalb Japans nur 1 bis 2 Jahre im Minus notierten.

Trendwende normalerweise nach 10 Jahren

In den letzten 50 Jahren ist es nur japanischen Aktien gelungen, länger als 10 Jahre an der Weltmarktspitze zu bleiben. Im Normalfall änderte sich der dominierende Aktienmarkt in jeder Dekade. Aber nicht nur das. Aktienmärkte, die besonders oft gut liefen, befanden sich auch öfters am Tabellenende, wie die Abbildung zeigt. Seit 1970 lagen beispielsweise amerikanische Aktien in 34 Prozent der Zeit an der Tabellenspitze der grössten regionalen Aktienmärkte. Andererseits schnitten amerikanische Aktien auch in 29 Prozent der Zeit am schlechtesten ab. Noch deutlicher ist diese Verteilung der relativen Renditen bei japanischen Aktien. Diese Tatsache allein spricht schon dafür, eine hohe Konzentration im Portfolio zu vermeiden.

Es ist also an der Zeit sein, sich gegen die Dominanz amerikanischer Aktien in den Portfolios zu stemmen. Mental dürfte dies aber schwerfallen. Die starke Performance der vergangenen Dekade prägt die Zukunftserwartungen, insbesondere dann, wenn sie mit robusten Wirtschaftszahlen,  innovativen Firmen und einer starken Währung begründet werden können. Genau das konnte man aber auch von den japanischen Aktien Ende der 1980er Jahre behaupten. Dazu kommt, dass der starke Anstieg amerikanischer Aktien in den letzten 10 Jahren auch von starken Bewertungsanstiegen getrieben wurde. Amerikanische Aktien sind im Verhältnis zu praktisch allen anderen regionalen Märkten teuer. Das schränkt nicht nur das zukünftige Gewinnpotenzial ein, es erhöht auch das Verlustpotenzial, wenn die Dominanz wegfällt.

Gleichgewichtete Strategie

Wie stark von der Gewichtung in den globalen Aktienmarktindizes abgewichen werden soll, muss individuell gestaltet werden. Eine Optimierung mit Daten der letzten 50 Jahre kann jedoch einen Anhaltspunkt geben. Wenn wir über drei Kontinente – Amerika, Europa und Asien Pazifik – optimieren, so resultiert ein in etwa gleichgewichtetes Aktienportfolio. Ein über die drei Erdteile gleichgewichtetes Portfolio übertraf den MSCI World Index im Schnitt um 0.6 Prozentpunkte jährlich bei ähnlichem Risiko. Dass das optimale Aktienmarktportfolio der letzten 50 Jahre tatsächlich ein über drei
Kontinente gleichgewichtetes Portfolio war, mag überraschen. Für einen Blick in die Zukunft ergibt dies jedoch Sinn, denn niemand kann  voraussagen, welcher Markt die nächste Dekade dominiert. Dass es nochmals amerikanische Aktien sein werden, wäre eher überraschend.

 

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