Inflation / Vom Einbruch in die Überhitzung

25.10.2021

Die Kombination aus massiven geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen hat das Geldmengenwachstum in den wichtigsten Währungsräumen während der Corona-Krise massiv erhöht. Dies sorgt für ein hohes Inflationspotenzial. Kurzfristige Prognosen bleiben jedoch mit grosser Unsicherheit behaftet. // Adriel Jost

Die Corona-Rezession hat vieles auf den Kopf gestellt. Auf einen aussergewöhnlichen Einbruch folgte in vielen Branchen und Ländern eine ebenso aussergewöhnliche Erholung. Ermöglicht wurde dies durch eine nie dagewesene Kombination aus grosszügiger Geld- und Fiskalpolitik in den Industrieländern, so dass die Einkommen mitten in der Krise stiegen und der sonst übliche Strukturbereinigungsprozess nicht zugelassen wurde.

Dieser massive Eingriff hat zur Folge, dass sich, obwohl die Corona-Krise noch kaum vorbei ist, schon zahlreiche Überhitzungserscheinungen beobachten lassen. In vielen Volkswirtschaften sind die Produktionskapazitäten bereits wieder nahe einer Vollauslastung. Die weltweiten Lieferketten sind gar überfordert mit der hohen Nachfrage. Die hoch optimierte Logistik ist aus dem Takt gebracht. Wichtige Güter wie Halbleiter sind nicht in genügender Anzahl erhältlich und schränken die Produktion ein. Energiepreise sind nach den Tiefstwerten zu Beginn der Corona-Krise rasant angestiegen. Arbeitskräfte sind knapp, und die weltweit steigenden Immobilienpreise führen zu höheren Wohnkosten. Die Inflationsraten sind an vielen Orten der Welt auf Niveaus angestiegen, die seit Jahren oder gar Jahrzehnten nicht mehr erreicht wurden.


Corona hat die Situation verändert

Kommt damit nun die grosse Inflation? Im Umfeld der letzten Jahrzehnte drückten verschiedene Faktoren die Inflation nach unten: Die Globalisierung führte zu steigendem Wettbewerb und zu sinkenden Preisen, offene Grenzen sorgten für ein grosses Angebot an Arbeitskräften und verhinderten damit starke Lohnanstiege, der technologischer Fortschritt verbilligte Waren und Dienstleistungen und die tiefen Zinsen haben die Grundlagen für kreditfinanzierte Überkapazitäten geschaffen.

Ist nach Corona dies nun alles anders? Wichtig ist: Inflation wird auch stark von Erwartungen getrieben. Erwarten Wirtschaftsakteure hohe Inflation, gibt es auch hohe Inflation. So verlangt die Arbeitnehmerin beispielsweise vorsorglich einen höheren Lohn, um die Kaufkraft des Lohnes zu bewahren und das Unternehmen passt daraufhin aber die Preise im Verkauf an, um die Marge nicht zu verlieren.

Die Erwartungen sind in den letzten Jahrzehnten auch deshalb niedrig geblieben, weil die Zentralbanken in den 1980er und 1990er Jahren glaubhaft demonstrierten, dass sie hohe Inflation mit geeigneten Massnahmen bekämpfen. Zusätzlich sorgte der Gewöhnungseffekt dafür, dass die Inflationsraten tief bleiben. Weil Inflation lange Zeit kein Thema war, braucht es einiges, bis die Wirtschaftsakteure dies neu wieder einpreisen.

Je länger die Inflationszahlen hoch bleiben, desto stärker sind diese stabilen Erwartungen jedoch gefährdet. Und ob die Zentralbanken tatsächlich eine höhere Inflation bekämpfen, ist alles andere als sicher. Die Zentralbanken sind nicht einmal mehr dem Schein nach unabhängig, weil ihnen kaum etwas anderes übrig bleibt, als die überschuldeten Staaten zu finanzieren.  


Daten sprechen für hohe Inflation – zum unbekannten Zeitpunkt

Soweit die theoretischen Argumente. Was sagen die Daten? Inflationsprognosen jenseits der kommenden Monate sind schwierig, spezifische Prognosen sogar unmöglich. Die Inflationsprognosen der Schweizerischen Nationalbank – erstellt von Dutzenden Top-Ökonomen - bestätigen dies immer wieder von neuem.

Wie in anderen Bereichen lassen sich längerfristige Prognosen aber besser machen als kurzfristige. Längerfristig hängen nämlich Geldmenge und Inflation zusammen. Die Abbildung zeigt aber auch: Es gibt eine Beziehung, sie ist aber kompliziert. Phasen, in denen die Geldmenge M2 stärker angestiegen ist als die Wirtschaft, führten tatsächlich zu höheren Inflationsraten. Die Verzögerung fiel dabei aber unterschiedlich aus.

Im laufenden Jahrzehnt ist mit hoher Inflation in den USA rechnen sollen. Gemäss den Berechnungen unseres Modells stieg die Wahrscheinlichkeit dafür, dass in den USA in den nächsten 10 Jahren die Inflationsraten durchschnittlich bei über 4 Prozent liegen, mit dem letzten Jahr auf etwa 80 Prozent. Grund dafür ist ein hohes Geldmengen-Wachstum, 20 Prozent im vergangenen Jahr alleine. Gemäss der 100-jährigen Empirie müssen wir uns also auf hohe Inflation in den USA im nächsten Jahrzehnt einstellen.


Vorbereitungen gerechtfertigt

In dieser Krise geht alles schneller als zuvor. Immer mehr deutet darauf hin, dass Zentralbanken schon rasch vor der schwierigen Wahl stehen, die Inflation mit deutlich höheren Zinsen zu bekämpfen und damit für konjunkturellen Gegenwind und Finanzmarktturbulenzen zu sorgen, oder aber mangels Bekämpfung ihre Glaubwürdigkeit weiter schwinden zu sehen. Ob dies bereits 2022 oder doch erst in den Folgejahren der Fall sein wird, hängt von Ereignissen ab, die ausserhalb des Prognostiker-Wissens liegen. Vorbereitungen für eine hohe Inflation sind aber jedem Investor anzuraten.

 

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